Ein Erfahrungsbericht von Charlize Pinder über das Schulprojekt "Demokratie kreativ" im Rahmen des Aller.Land Projekts "Kultur gemeinsam gestalten" in Stormarn.
An einem kalten Dezembertag 2024 trafen wir uns in Reinfeld im Atelier von Berenike Binder im Alfa-Park. Das Atelier befindet sich in einem großen alten Industriegebäude. Der Komplex lässt keinen einheitlichen Stil erkennen. Alles wirkt ein wenig bedarfsorientiert zusammengestückelt. Schaut man sich die historischen Zusammenhänge an, in denen das Gelände eine Rolle gespielt hat, ist ein Hauch Industriecharme spürbar, der über allem in der Luft liegt.
Als ich ankam, begegnete ich Sonja Baudisch. Sie holte gerade Getränke und Kekse aus ihrem Auto. Gemeinsam stellten wir alles im Atelier bereit. Die Teilnehmer*innen sollten sich zwischenzeitlich stärken und auch abseits des kreativen Tuns miteinander ins Gespräch kommen können.
Sonja hatte eine Reihe von verschiedenen Fragen und Satzanfängen vorbereitet. Ich durfte fünf davon auswählen und verteilte sie auf unterschiedliche Kästen. Die Schüler sollten diese Fragen später beantworten. Die Satzanfänge lauteten:
Das Thema Demokratie und insbesondere der Schutz der Demokratie spielten eine besondere Rolle, da vor kurzem die aktuelle Bundesregierung per Misstrauensvotum „abgewählt“ wurde und Neuwahlen für den folgenden Februar geplant waren.
Nach und nach trafen die anderen Beteiligten ein: Berenike Binder, die Künstlerin, Thomas Flemming, Historiker aus Berlin und der Referent, der einen Impulsvortrag über Gustav Heinemann halten sollte und Gerd Herrmann als Vertreter des Runden Tischs Reinfelds Zukunft. Um 09:00 Uhr kamen 17 Schüler*innen des Kunstkurses des 11. Jahrgangs der Immanuel-Kant-Schule aus Reinfeld gemeinsam mit ihrer Lehrerin Neele Hapel im Atelier an.
Sonja begann damit, die Gruppe zu begrüßen. Sie stellte die einzelnen Beteiligten vor und erläuterte den Tagesablauf. Das ganze Projekt umfasste drei Stunden.
Alles begann mit dem Vortrag über Gustav Heinemann. Der Referent bezog die Schüler*innen ein und sie beteiligten sich aktiv, indem sie viele Fragen stellten. Thomas Flemming gab einen Einblick in das Leben Gustav Heinemanns und beschrieb seine Rolle in der NS-Zeit sowie in den Folgejahren. Heinemann war Mitbegründer der CDU und bekleidete nach seiner Zeit als Oberbürgermeister von Essen auch das Amt des Innenministers. Er war ein überzeugter evangelischer Christ, trat jedoch aus der CDU aus, weil er die Aufrüstung ablehnte, die Konrad Adenauer anstrebte. Danach gründete Heinemann eine eigene Partei, die jedoch keinen Erfolg hatte. Schließlich trat er der SPD bei, wurde Justizminister und später Bundespräsident. Diese Rolle füllte er mit sehr viel Herzblut aus, was ihm die Bezeichnung als „Bürgerpräsident“ einbrachte.
Die lebhafte Gesprächsrunde am Ende des Vortrags umfasste so viele Fragen, dass Sonja einschreiten musste, um sie zu beenden. Schließlich stand noch der kreative Teil der Veranstaltung an und dieser sollte nicht vernachlässigt werden. Der Referent und der Vertreter des Runden Tisches verabschiedeten sich an dieser Stelle.
Im Atelier wurde eine kurze Bewegungspause eingeläutet. Berenike und ich bereiteten die Kunststationen vor, während die Schüler*innen sich mit Gebäck und Getränken versorgten.
Die künstlerischen Stationen
Die Schüler arbeiteten an drei verschiedenen Stationen:
Es gab keine festen Vorgaben. Die Schüler sollten sich – inspiriert durch den Vortrag über Gustav Heinemann – mit dem Thema Demokratie auseinandersetzen und Bezüge zur Gegenwart herstellen. Sie hatten die Möglichkeit einfach zu experimentieren und die Reihenfolge der Stationen frei zu wählen. In Anlehnung an die Person Gustav Heinemann hatte Berenike beispielsweise eine Station zusätzlich im Angebot, an der die Teilnehmer*innen Brillen ausprobieren und sich damit fotografieren (lassen) konnten.
Die Schüler begannen hochmotiviert und entwickelten schnell eigene Ideen. Sie bildeten spontan Gruppen und arbeiteten gemeinsam an verschiedenen Projekten. Sie konnten so viel arbeiten, wie sie wollten, und hatten etwa eineinhalb Stunden Zeit.
Aussagen der Teilnehmer
Im Laufe des Projekts äußerten Schüler und die Lehrerin verschiedene Gedanken und Eindrücke. Einige Aussagen waren besonders bemerkenswert:
Diese Zitate zeigten die Vielfalt der Perspektiven und regten zu weiteren Diskussionen an.
Auswertung der Fragekästen
Die Fragekästen standen im Raum verteilt. Jede*r Teilnehmer*in konnte selbst entscheiden, ob sie/er sich äußert. Die Antworten waren anonym, da die Karten mit der Schrift nach unten in die Kästen gelegt und erst im Nachhinein dokumentiert wurden. Hier eine Auswahl der Fragen und Antworten:
1. Dass wir in einem demokratischen Land leben, merke ich am meisten daran, dass …
2. Im Rahmen der Bundestagswahl finde ich folgendes Thema wichtig: …
3. Demokratie bedeutet für mich: …
Schluss
Am Ende kamen wir in einer kurzen Abschlussrunde zusammen und alle die wollten, konnten etwas zum Projekt sagen. Besonders geschätzt wurde von den Schülern, dass sie ohne feste Vorgaben kreativ sein konnten. Sie fanden es inspirierend, einfach loszulegen, ohne alles im Voraus planen zu müssen. Die entstandenen Werke und die Zusammenarbeit in Gruppen bereitete viel Freude. Die Organisatoren lobten das Engagement und die Ergebnisse der Schüler.
Es wurde überlegt, die Kunstwerke in einer Ausstellung zu präsentieren, in Zusammenarbeit von Schüler*innen und dem Runden Tisch. Zudem soll das Thema möglicherweise im Unterricht vertieft werden, um den entstandenen Arbeiten einen angemessenen Rahmen zu geben. Ein solches Projekt zeigt, wie wichtig es ist, der Kreativität freien Raum zu lassen und Demokratie nicht nur im Rahmen von Diskussionen und theoretischen Auseinandersetzungen zu erleben. Dafür einen Ort außerhalb der Schule zu besuchen, hat auch zur guten Stimmung beigetragen.
Das Projekt fand im Rahmen von „Zukunft gemeinsam gut gestalten“ statt und ist Teil des Förderprogramms „Aller.Land – zusammen gestalten. Strukturen stärken.“. Das Programm wird gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) sowie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Programmpartner ist das Bundesministerium des Innern (BMI). Aller.Land ist Teil des Bundesprogramms Ländliche Entwicklung und Regionale Wertschöpfung (BULE plus).
Wir bedanken uns darüber hinaus bei der Theodor-Heuss-Stiftung und dem Projekt „100 Köpfe der Demokratie“, die es ermöglicht haben, einen fachkundigen Referenten in unser Projekt einzubeziehen. In unseren Augen hat die ganzheitliche Auseinandersetzung zu guten Ergebnissen geführt und in der Zusammenarbeit unterschiedlichster Kooperationspartner*innen konnte ein schlüssiges Gesamtkonzept entstehen und umgesetzt werden.
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